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Geschichte im Schaufenster

An dieser Stelle veröffentlicht das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen besondere Highlights aus seinen umfangreichen Beständen. Im Fokus stehen Stücke, die Aufschluss geben sollen über die Geschichte in Daten, Zahlen und Fakten, aber auch über das ganz alltägliche Leben der vergangenen Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte im Rheinland, in Westfalen und in Ostwestfalen-Lippe. Alle präsentierten Archivalien werden erklärt und in den Kontext ihrer Zeit eingeordnet. Die Stücke kommen aus allen drei Regionalabteilungen.

Von der Zucht zur Besserung? (Archivale des Monats von LAVNRW W)

„Gefängnisse sollen dunkle und unheimliche Behausungen der Schuld und Erbärmlichkeit sein. Dem Gefangenen soll nur so viel Licht zugebilligt werden, als er braucht, um im Neuen Testament zu lesen.“ Diese Funktionsbestimmung wird dem Begründer des US-Staates Pennsylvania William Penn (1644-1718) zuge...

„Gefängnisse sollen dunkle und unheimliche Behausungen der Schuld und Erbärmlichkeit sein. Dem Gefangenen soll nur so viel Licht zugebilligt werden, als er braucht, um im Neuen Testament zu lesen.“ Diese Funktionsbestimmung wird dem Begründer des US-Staates Pennsylvania William Penn (1644-1718) zugeschrieben und lässt erahnen, wie Zuchthäuser in vormoderner Zeit aussahen.

Erst im Lauf des 19. Jahrhunderts kam es international zu umfassenden Reformen im Strafvollzug, die sich auch grundlegend auf die Architektur von Gefängnissen auswirkten. Straf- bzw. Justizvollzugsanstalten sollten nun zu Orten der Erziehung und Besserung werden und eine spätere Resozialisierung ermöglichen, indem sie etwa auch entlohnte Arbeitsplätze anboten.

Vor diesem Hintergrund wurde 1845 bis 1853 nach Vorbildern in Pentonville bei London bzw. in Berlin-Moabit die neue Strafanstalt in Münster errichtet, deren Hauptteil mit fünf Flügeln einen sternförmigen Grundriss mit einem zentralen Raum aufweist, der als Panopticon (griechisch für „alles sehend“) die gleichzeitige Überwachung aller vier Zellentrakte erlaubt. Die gezeigten Pläne stammen aus den 1860er Jahren, als die Anstalt durch Um- und Erweiterungsbauten vergrößert wurde. Auch wenn vor allem durch Kriegsschäden nur noch ein kleiner Teil des ursprünglichen Ensembles erhalten ist, steht es unter Denkmalschutz und gehört zu den ältesten Gefängnissen in Deutschland – bis der Umzug in den schon begonnenen und voraussichtlich 2026 fertigen Neubau bei Wolbeck vollzogen sein wird.

LAVNRW W, W 051/Kartensammlung A, Nr. 47598 und 47599.

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Geschichte im Schaufenster - September 2025: Karten

Archivgut kann viele verschiedene Formen haben. Dazu gehört unter anderem Kartenmaterial. Der Kartenbestand der Abteilung Rheinland beinhaltet unter der Signatur RW Karten Nr. 4940 eine Ansicht des Sc...

Archivgut kann viele verschiedene Formen haben. Dazu gehört unter anderem Kartenmaterial. Der Kartenbestand der Abteilung Rheinland beinhaltet unter der Signatur RW Karten Nr. 4940 eine Ansicht des Schlosses Rheydt aus dem Jahr 1594, die aus einem Verfahren vor dem Reichskammergericht stammt. Es handelt sich dabei um eine kolorierte Tuschezeichnung. Worum es in der Akte geht, kann ebenfalls online eingesehen werden: LAV NRW R, AA 0627 / Reichskammergericht, Nr. 4620 – R 397/1279.

Der Bestand ist ein Geheimtipp und in großen Teilen bereits mit Digitalisaten versehen.

LAV NRW R, RW Karten Nr. 4940

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Pferdestricker gesucht!

Zahlreiche Akten aus dem Bestand AA 0250 Essen, Stift, Akten befanden sich auf dem Kahn „Main 68“, als dieser gegen Ende des Zweiten Weltkriegs unterging – so auch die vorliegende Akte Nr. 845, die sich mit dem sogenannten Oberpferdestrickeramt beschäftigt. Dieses Amt wurde in der Regel mit einem Be...

Zahlreiche Akten aus dem Bestand AA 0250 Essen, Stift, Akten befanden sich auf dem Kahn „Main 68“, als dieser gegen Ende des Zweiten Weltkriegs unterging – so auch die vorliegende Akte Nr. 845, die sich mit dem sogenannten Oberpferdestrickeramt beschäftigt. Dieses Amt wurde in der Regel mit einem Beamten der Essener Fürstäbtissin besetzt. Hauptaufgabe war das Eintreiben wilder Pferde in den Essener Marken. „Gestütberechtigte“ hatten dort das sogenannte Wildbahnrecht, das ihnen erlaubte, wilde Pferde zu halten.

Der Bedarf an diesem eher ungewöhnlichen Amt lässt sich mit der großen Anzahl von Wildpferden im Raum Essen erklären. Die Pferde sorgten regelmäßig für Ungemach in der Borbecker und Viehofer Mark, da sie sich überall ungehindert ausbreiteten. Dieser Umstand machte den Einsatz eines Pferdestrickers erforderlich. Der Erstbeleg des „peerdestrykkers“ stammt aus dem 14. Jahrhundert.

Die Akte aus den Jahren 1772-1788 behandelt u.a. die Besetzung des Oberpferdestrickeramts für die Gebiete der Borbecker und Viehofer Mark. Die Ritterbürtigen und Beerbten der Borbecker Mark schildern dort in einem Schreiben an die (letzte) Essener Fürstäbtissin Maria Kunigunde von Sachsen (1776-1802) ein wachsendes Problem.

Sie berichten davon, dass die Marken mittlerweile mit „fremden unberechtigten Pferden, Horn- und sonstigem Vieh […] überströhmet worden.“ Zusätzlich zeigen sich die Beerbten verärgert über die Stadt Essen, die in der Viehofer Mark Wildpferde eintreibt und mit dem Stadtwappen brandmarkt; die Stadt habe nicht das Recht, dort „wilde Pferde zu ziehen.“ Daher bitten sie die Fürstäbtissin, „das Oberstrickeramt einem tüchtigen Subjecto […] zu conferieren“. Dieser solle „sofort die wilde ohnberechtigte Pferde und sonstiges Vieh auftreiben lassen und die Marken davon reinigen.“

Die Fürstäbtissin fordert daraufhin zunächst ihre Regierungskanzlei dazu auf, einige Fragen zu dem Oberstrickerpferdeamt und den angeblichen Problemen mit der Stadt Essen zu beantworten (unser Bild: AA 0250 Essen, Stift, Akten, Nr. 845, fol. 17r).

Der darauffolgende Bericht der Regierungskanzlei an die Fürstäbtissin vom 12. Oktober 1778 relativiert zunächst die Anschuldigungen der Beerbten gegenüber der Stadt Essen: Solange das Oberpferdestrickeramt für die Borbecker und Viehofer Marken nicht besetzt sei, könne nichts dagegen unternommen werden, dass die Stadt in diesen Gebieten wilde Pferde eintreibe und mit dem Stadtwappen brandmarke.

Es folgt ein Rückblick auf die ehemaligen Inhaber des Oberpferdestrickeramtes. Erwähnt wird dabei „der alte Marschall Dobbe“, der die Aufgaben noch unentgeltlich ausgeübt hat. Nach seiner Zeit fehlte ein Nachfolger für das Amt, da sich „niemand zu dessen Verwaltung anschicken“ wollte. Daraufhin sind die Beerbten tätig geworden und haben die Regierung darum gebeten, einem „Hauptmann Sterzenbach“ die Aufgaben zu übertragen und ihn dafür zu entlohnen. Sein jährliches Gehalt betrug 50 Reichstaler, das teils aus der Borbecker und teils aus der Viehofer Mark bestritten wurden. Aus dem Bericht geht allerdings hervor, dass die Amtszeit Sterzenbachs vor Regierungsantritt der Fürstäbtissin, also vor 1776, geendet hat. Seit mindestens zwei Jahren ist also niemand für die Aufgaben des Pferdestrickers zuständig. Das erklärt wohl, wie sich die zahlreichen Wildpferde überall ungehindert ausbreiten konnten und nun ein so dringliches Problem darstellten.

Daher bleibt die Frage, wem das Amt nun übertragen werden kann. Es gibt bereits einen Vorschlag der Regierungskanzlei: Clemens Freiherr von Vittinghoff genannt Schell. Er ist ein Beerbter der Borbecker Mark und zählt zu den Unterzeichnern des Bittschreibens an die Äbtissin. Da er allerdings in Münster weilt, kann er erst nach seiner Rückkehr zustimmen. Auf einer Konferenz mit der Regierungskanzlei wird der Vorschlag angenommen. Des Weiteren einigt man sich auf seine Entlohnung, wobei man sich am Gehalt des Hauptmanns Sterzenbach orientiert zu haben scheint: Dem Freiherrn von Vittinghoff sollen für die Ausübung dieses Amtes jährlich 50 Reichstaler gezahlt werden. Übrigens: In der freiherrlichen Familie verblieb das „Erb-Ober-Stricker-Amt“ noch bis zur Aufhebung der Viehofer Mark im Jahre 1831.

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